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Das Konzept des therapeutischen Gammelns stellt bei dementen Patienten die Selbstbestimmung in den Focus. Damit steht es im direkten Gegensatz zu vielen Therapieansätzen, die vor allem auf ständige Aktivierung und Beschäftigung setzen.

Lange galt es als Übereinkunft, dass es bei der Betreuung dementer Menschen wichtig ist, viele Reize zu setzen und Aktivitäten anzubieten. Vor allem Pflegekräfte in Senioreneinrichtungen verfügen oft nicht über genügend Zeit, die dieser Ansatz erfordern würde. Deshalb kommen zunehmend neue technische Hilfsmittel zur Bespaßung Dementer auf den Markt. Als Plüschtiere getarnte Roboter interagieren mit den Patienten. Zahlreiche Spielmaterialien sollen das Gedächtnis anregen. Kleine Räume mit Videos von vorbeiziehenden Landschaften simulieren Zugfahrten. Patienten warten an künstlich errichteten Bushaltestellen. Dazu kommen unterschiedlichste Reize in Form von Tönen oder bunten Lichtern.

Dem gegenüber will das therapeutische Gammeln vor allem die Autonomie der von Demenz betroffenen stärken. Der Begriff therapeutisches Gammeln weckt zunächst die Assoziation des Faulenzens. Es könnte auch den Eindruck erwecken, die Pflegekräfte lassen die Patienten links liegen und widmen sich anderen Beschäftigungen. Doch das Wort Gammeln geht auf das Urgermanische „gemana“, das Freude und Lust bedeutet, zurück. Dies soll auch das therapeutische Gammeln unterstützen. Es geht darum, den Alltag der Betroffenen so zu gestalten, dass sie sich wohlfühlen. Das heißt natürlich andererseits auch, dass sie nicht von Angeboten ausgeschlossen werden, wenn dies ihr Wunsch ist und sie dabei zufrieden wirken.

Dieser Ansatz erfordert auch ein gewisses Umdenken bei den Pflegekräften. In unserer hektischen durchgetakteten Welt können wir andere, die nichts tun und in sich gekehrt sind, oft schwer ertragen. Doch das geht von unserem Empfinden aus. Währenddessen zieht das therapeutische Gammeln in Betracht, dass Menschen mit Demenz, die vieles nicht mehr wissen und wenig tun können, auch keinen Wunsch mehr nach sinnvoller Beschäftigung haben. Dennoch können sie sich in diesem Zustand wohler fühlen, als wenn sie durch ständige Aktivierungsangebote, mehr als erforderliche Körperpflege oder Essensroutinen gestört werden.

Das schon seit längerem bestehende Konzept des therapeutischen Gammelns wird im stationären Bereich erstmals im Seniorenheim in Marl eingeführt werden. Man darf gespannt auf die Ergebnisse sein.